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Geschichte der Raumfahrt

Wostok 6 als Weltraummission

Wostok 6

Allgemeines

Mit dem Wostok-Programm war Juri Gagarin am 12. April 1961 als erster Mensch in den Weltraum geflogen. Am 16. Juni 1963 folgte ihm Walentina Tereschkowa an Bord von Wostok 6 als erste Frau im All. Dieses Ereignis wurde zwar in der UdSSR gefeiert, aber lag in der weltweiten Wahrnehmung deutlich hinter Gagarins Flug. Doch der Prestigeerfolg war ein weiterer Sieg über die Amerikaner, die ihre gesamten Kapazitäten auf die möglichst baldige Landung auf dem Mond konzentrierten. Deswegen war Wostok 6 für die USA zwar eine Niederlage, aber da man ein größeres Ziel vor Augen hatte, schmerzte es nicht so sehr, wie der Sputnikschock oder Gagarins Flug.

Historisches

Die sowjetische Führung war zunächst uneins darüber, ob man den ersten Flug einer Frau ins All forcieren sollte. Dies lag vielleicht auch daran, dass die Emanzipation in der UdSSR vermutlich noch schlechter entwickelt war als im Westen der 1960er Jahre, aber auch daran, dass es ernste Probleme zu lösen galt. Es gab kaum Pilotinnen in der Sowjetunion und aus dieser Berufsgruppe hatte man bis dahin alle Kosmonauten rekrutiert. Als von höchster Stelle der Beschluss für das Projekt bestätigt worden war, wählte man deshalb 58 Kandidatinnen aus, die größtenteils als Fallschirmspringerinnen ausgebildet waren. Am 19. Februar 1962 wurden 5 von ihnen auserwählt, zur so genannten Zweiten Kosmonautengruppe zu gehören. Es handelte sich um Irina Bajanovna Solowjowa, Sanna Dmitrijevna Jerkina, Walentina Leonidowna Ponomarjowa, Tatjana Dmitrjewna Kusnetsowa und Walentina Wladimirowna Tereschkowa. Schließlich wurden Ponomarjowa und Solowjowa als Ersatzkosmonautinnen für Tereschkowa bestimmt, die den Anforderungen am besten genügte und deshalb die erste Frau im Weltall werden sollte.

Technik

Die Wostok-Technologie war schon auf dem Flug von Juri Gagarin benutzt worden. Das Raumschiff bestand aus zwei Teilen, einem Bremstriebwerk und einer Landekapsel und wurde mit einer Trägerrakete ins All gebracht. Der große Vorteil der Wostok war die relativ unkomplizierte Technik, die auf der anderen Seite aber auch sehr limitiert war. Es gab nur Platz für einen Kosmonauten, der wiederum kaum Einfluss auf den Flug nehmen konnte. Der Raumfahrtbehörde war klar, dass damit ein Flug zum Mond völlig unmöglich war und deswegen stellte man das Programm mit Abschluss der Doppelmission Wostok 5 und 6 ein. Auf der Grundlage der Wostok wurde das Woschod-Programm entwickelt, mit dem mehrere Personen zugleich ins All fliegen sollten.


Der Flug

Um 12:29 startete Wostok 6 vom Weltraumbahnhof Baikonur. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis eine Erdumlaufbahn in 165 Kilometern Höhe erreicht wurde. Zwei Tage vorher war Wostok 5 mit dem Kosmonauten Waleri Fjodorowitsch Bykowski, der bei seinem Flug einen neuen Dauerrekord für einen Kosmonauten im Weltraum aufstellte, gestartet. Auf der ersten Umkreisung der Erde passierte die Wostok 6 das Schwesternschiff in einer Entfernung von 5 Kilometern. Die beiden Raumschiffe standen in Funkkontakt und während des Fluges tauschten sich Bykowski und Tereschkowa regelmäßig aus. Da die Wostok-Raumschiffe keine Steuermöglichkeiten besaßen, waren beide Kosmonauten eher Passagiere als Piloten und hatten deswegen Zeit für andere Dinge. Tereschkowa hatte eine Foto- und Videoausrüstung dabei und dokumentierte ihren Flug. Sie sollte auch ein Experiment aus dem Bereich der Biologie machen, doch dies scheiterte.
Die Rückkehr zur Erde war für die Bodenstation schwierig und man musste lange den Atem anhalten, weil der Funkkontakt abriss, als die Bremsraketen gezündet wurden. Dadurch konnte man den Flug nur noch über telemetrische Daten verfolgen und blieb bis zur Landung im Ungewissen über das Wohl der Kosmonautin. Da die Wostok keine Landevorrichtung hatte, musste Tereschkowa sich mit einem Schleudersitz aus dem Raumschiff schießen und per Fallschirm zu Boden schweben. Insgesamt dauerte der Flug 3 Tage und Tereschkowa umrundete die Erde ganze 48 Mal.

Stellenwert der Mission

Die erste Frau im Weltall war zwar für das weltweite Ansehen der UdSSR als technologische Weltmacht wichtig, aber für die bemannte Raumfahrt war Wostok 6 nicht besonders wichtig. Zwar konnte man auf dem Flug weitere Erfahrungen sammeln, aber das eigentliche Ziel, die Mondlandung, wurde deswegen sogar etwas vernachlässigt. Wenn man sieht, wie knapp die UdSSR später im Wettlauf zum Mond unterlag, ist es vielleicht keine ganz falsche These, das die Chancen ohne Wostok 6 besser gewesen wären. Wie so oft spielten kurzfristige politische Gründe jedoch eine große Rolle.
Für Walentina Tereschkowa war Wostok 6 der erste und letzte Flug. Offensichtlich war man in der Raumfahrtbehörde nicht sonderlich begeistert von ihrer Leistung und verzichtete auf weitere Dienste. In Russland ist sie bis heute sehr bekannt und sitzt (2008) in der Duma als Abgeordnete für die Partei "Einiges Russland". Es ist ein kurioser Fakt, das sowohl die erste Frau als auch der erste Mann im Weltall jeweils nur ein einziges Mal in den Raum geflogen sind. Doch als Pioniere der bemannten Raumfahrt haben sie einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher.

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