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Geschichte der Raumfahrt

Ankopplung an der Mir durch STS-71 (Atlantis)

STS-71 (Atlantis)

Allgemeines

Während der Mission STS-71 (Space Transportation System) der Raumfähre Atlantis koppelte erstmals ein amerikanisches Raumschiff an die russische Raumstation Mir an. Das Shuttle-Mir-Programm hatte vorher bereits zwei Flüge zu verzeichnen, die aber ohne Kopplungsmanöver blieben. Insgesamt war es der 100. Raumflug der NASA.

Historisches

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dauerte es eine Weile, bis die politische Situation wieder stabil war. Das Raumfahrtprogramm wurde von Russland übernommen, aber es fehlte an den finanziellen Mitteln für eine sinnvolle Fortführung.
Nach den spektakulären Wettläufen ins All und zum Mond, entspannte sich die Situation zwischen den beiden Raumfahrtbehörden in Ost und West. Schon 1975 hatte es bei dem Apollo-Sojus-Projekt eine erste Zusammenarbeit gegeben. Und es schien nur logisch zu sein, dass diese irgendwann wieder fortgesetzt werden würde. Doch durch die politischen Umstände musste dazu erst die Sowjetunion zusammenbrechen.
Es gab allerdings so etwas, wie eine stillschweigende Zusammenarbeit. Denn während die NASA das Space Shuttle baute, konzentrierte die Sowjetunion sich auf den Bau von Raumstationen. Zunächst wurden Saljut-Stationen ins All geschossen und schließlich die Mir.
Als 1992 das Shuttle-Mir-Programm vereinbart wurde, hatten beide Seiten schon die entsprechende Vorarbeit geleistet.
Die NASA plante bereits die Internationale Raumstation ISS und sah in dem Shuttle-Mir-Programm die willkommene Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln. Durch diverse Pannen und Defekte, die gerade in den letzten Jahren der Mir auftraten, konnte wichtige Erkenntnisse für die ISS gewonnen werden.

Die Besatzung von STS-71 bestand aus Robert Gibson (Kommandant), Charles Precourt (Pilot), Ellen Baker, Bonnie Dunbar und Gregory Harbaugh. Hinzu kamen die beiden Kosmonauten Anatoli Jakowlewitsch Solowjow und Nikolai Michailowitsch Budarin.

Technik

Space Shuttle und Mir waren zum Zeitpunkt der Mission bereits ausgereifte Technologien, mit denen die beiden Raumfahrtbehörden jeweils umfangreiche Erfahrungen gemacht hatten. Die Kunst bestand nun darin, die beiden nicht aufeinander abgestimmten Technologien miteinander zu koppeln.
Die erste Kopplung fand schließlich am Kristall-Modul der Mir statt. Bei dem nächsten Flug zur Mir (STS-74) wurde ein spezielles Andockmodul für das Space Shuttle installiert. Dieses vereinfachte das Kopplungsmanöver wesentlich.

Der Flug

Das Space Shuttle Atlantis startete am 27. Juni 1995 vom Kennedy Space Center. Nach dem reibungslosen Flug in den Erdorbit wurde langsam die Distanz zur Mir verringert. Schließlich näherte sich das Shuttle der Mir von unten. Am 29. Juni um 13:00 UTC fand die Kopplung statt, die beim ersten Versuch problemlos funktionierte. Nach einer Dichtigkeitsprüfung konnten sich die beiden Kommandanten begrüßen. An Bord der Mir befand sich zu diesem Zeitpunkt eine dreiköpfige Besatzung, die später mit dem Space Shuttle zur Erde zurückflog.
Eine der Aufgaben der Astronauten waren medizinische Untersuchungen. Diese wurde vor allem im Spacelab durchgeführt. Es wurden u.a. Reaktionstests, Blutuntersuchungen und Leistungstests gemacht, um die körperlichen Bedingungen in der Schwerelosigkeit zu messen. Zudem gab es an Bord des Shuttles Fracht, die auf die Mir gebracht werden musste, und umgekehrt. Die Mir bekam ein Minigewächshaus, das zur Untersuchung von Pflanzenwachstum in der Schwerelosigkeit gedacht war. Besonders wichtig war es zudem, dass die Wasser- und Lebensmittelvorräte der Station aufgefüllt wurden. In das Space Shuttle wurden diverse alte Geräte gebracht. Zudem gab es Urin- und Blutproben der Besatzung, die zur Erde mitgenommen wurden. Um die Fitness der Besatzung zu verbessern und den Muskelabbau in der Schwerelosigkeit möglichst effektiv zu vermindern, wurde ein Fahrradergometer installiert. Einem ähnlichen Zweck diente ein spezieller Unterdruckanzug, der auf dieser Mission getestet wurde. Durch eine bewusste Belastung des Unterleibs, sollten damit die Muskeln trainiert werden.
Während des Aufenthaltes gab die Besatzung zahlreiche Radio- und Fernsehinterviews. Die gesamte Mission wurde von den Presseabteilungen der beiden Raumfahrtbehörden in der ganzen Welt medial verbreitet. Die NASA erhoffte sich dadurch eine höhere Akzeptanz für das sehr kostenintensive ISS-Projekt.
Die Rückkehrbesatzung der Atlantis bestand aus den 5 amerikanischen Astronauten der ursprünglichen Shuttlebesatzung und der dreiköpfigen Mir-Besatzung, zu der Wladimir Nikolajewitsch Deschurow, Gennadi Michailowitsch Strekalow und Norman Thagard gehörten. Solowjow und Budarin blieben an Bord der Mir.
Die Abkopplung von der Mir fand am 4. Juli statt und wurde von Bord der Sojus TM-21, die als Rettungsschiff der Mir im Weltall war, gefilmt. Die Landung am 7. Juli auf dem Kennedy Space Center gelang wunschgemäß.

Stellenwert der Mission

Die Raumfahrt nach dem kalten Krieg war selbst für die USA, die als letzte Supermacht übrig geblieben waren, nicht alleine zu stemmen. Da die sowjetische Raumfahrtbehörde zudem über viel Erfahrung mit Raumstationen und Langzeitaufenthalten im All verfügte, konnte die NASA vom Wissen des ehemaligen Feindes profitieren. Das Shuttle-Mir-Programm war der Auftakt zu einer ausgedehnten internationalen Zusammenarbeit.
Die symbolträchtige Koppelung eines amerikanischen Raumschiffes mit einer russischen Raumstation war für beide Seiten u.a. auch eine sehr wichtige PR-Maßnahme. Die NASA konnte wichtige Erkenntnisse für die ISS sammeln und die Russen konnten das am Boden liegende Raumfahrtprogramm, das in dieser Zeit ein massives Budgetprobleme hatte, wieder beleben. Nur wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR arbeiteten russische und amerikanische Weltraumfahrer Hand in Hand. Diese Bilder gingen um die ganze Welt.

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